Donnerstag, 9. Juni 2011

Aufklärungspflicht über Rückvergütungen bei Beratung durch Tochterunternehmen einer Bank

Das Oberlandesgericht München hat mit Urteil vom 29.03.2011 die bislang vom Bundesge-richtshof aufgestellte strikte Unterscheidung zwischen bankgebundenen und freien Anlagebe-ratern zumindest teilweise durchbrochen. Danach können unter bestimmten Umständen auch freie Berater von der Aufklärungspflicht über Rückvergütungen betroffen sein.


Der Fall

Ein Anleger zeichnete im Jahr 2004 nach Beratung eines freien Kapitalanlageberaters eine Be-teiligung an einem Medienfonds über 100.000,00 Euro. Obwohl die Kontaktanbahnung über die den Anleger bereits betreuende Bank zustande kam, und dass Beratungsgespräch auch in den Räumlichkeiten der Bank stattfand, trat der für das Beratungsunternehmen handelnde Kapita-lanlageberater als freier, ungebundener Berater auf. Was dem Anleger nach seiner eigenen Aussage jedoch nicht bewusst war, ist, dass es sich bei der Beratungsgesellschaft um ein 100 %iges Tochterunternehmen der Bank handelte. Dieses erhielt für die Vermittlung der Beteili-gung von der Fondsgesellschaft ein Provision in Höhe von mindestens 8,25 %.

Der nun klagende Anleger ist der Ansicht, dass das Beratungsunternehmen nicht ungebunden gewesen sei und somit über die erhaltenen Rückvergütungen ihn hätte unaufgefordert aufklä-ren müssen. Die beklagte Beratungsgesellschaft vertritt dagegen die Auffassung, dass sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht dazu verpflichtet gewesen ist, unge-fragt über mögliche Rückvergütungen aufzuklären, da sie als freie, bankungebunde Beratungsgesellschaft gehandelt hätte.

Das Landgericht München hat in erster Instanz der Klage vollumfänglich stattgegeben.


Die Entscheidung

Die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg. Das OLG München ist im Berufungsverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass hier ein Bera-tungsvertrag mit einer bankgebundenen Beratung vorgelegen hat. Vertragspflicht sei es da-her gewesen, den Anleger über die zu erwartende Rückvertgütung von sich aus aufzuklären. Durch das bloße "Outsourcing" der Beratungstätigkeit, also die Auslagerung von Aufgaben an Drittunternehmen, auf eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Bank, bei gleichzeitiger Nut-zung der bankbekannten Kundendaten und Vermögensverhältnisse zum Zweck der Einfäde-lung von Beratungsgesprächen wird der bestehende Interessenkonflikt, der bei der eigentlichen Beratung der Bank besteht nicht behoben, so das OLG München. Die ansonsten allgemein anerkannte Unterscheidung zwischen bankgebundenen und freien Anlageberatern würde hier durch die Auslagerung der Beratungsmäßigkeit umgangen werden und sei daher nicht anzuwenden. Das Gericht führt hierzu weiter aus:

"Dem Interessenkonflikt ist durch Offenlegung gegenüber dem Bankkunden zu begegnen; ein effektiver Schutz des Bankkunden vor den Gefahren einer nur vorgegebenen neutralen und am Kundeninteresse ausgerichteten, in Wahrheit aber von Eigeninteressen beeinflussten Be-ratung ist nicht durch Auslagerung der Beratungstätigkeit zu erreichen, wenn das rechtlich selbständige Drittunternehmen die Erkenntnisse der Bank und die dort vorhandenen Kun-dendaten sowie das Vertrauen des Bankkunden in die Integrität seiner Bank für die Herbei-führung und Durchführung einer Anlageberatung planmäßig und mit Wissen und Wollen der Bank nutzt."

Der Anlageberater hätte somit ungefragt über die zu erwartenden Rückvergütungen aufklä-ren müssen und hat mit Unterlassen dieser Aufklärung seine Vertragspflichten verletzt. Er ist daher zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet.


Fazit

Mit dieser Entscheidung hat das OLG München die vom Bundesgerichtshof aufgestellte strikte Unterscheidung zwischen freien und bankgebundenen Anlageberatern zumindest teilweise durchbrochen. So kommt es in tatsächlicher Hinsicht nicht darauf an, ob der Berater Mitarbei-ter der Bank ist oder für ein drittes Beratungsunternehmen tätig ist. Vielmehr ist entschei-dend, ob der Anlageberater bzw. das Beratungsunternehmen tatsächlich ungebunden und ei-genständig ist. Rechtsanwalt Christian M. Schulter von der Kanzlei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte sagt hierzu: "Das Urteil des OLG München führt dazu, dass zukünftig alle ver-meintlich freien Anlageberater bzw. deren Beratungsunternehmen auf die tatsächliche Unab-hängigkeit hin überprüft werden müssen. Die Ausweitung der Aufklärungsverpflichtung über erhaltene Rückvergütungen und Provisionen kann nicht nur 100 %ige Tochterunternehmen treffen. Vielmehr ist in jedem Fall individuell zu prüfen, ob zwischen einer Bank und dem -vermeintlichlich freien Anlageberater ein verstecktes Abhängigkeitsverhältnis besteht, durch das der Anlageberater tatsächlich als bankgebunden anzusehen ist."

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