Mittwoch, 15. Juni 2011

Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt die Bankenverjährung wegen fehlerhafter Anlageberatung erst in 30 Jahren – deutliche Worte des Gerichts in einem aktuellem Leiturteil

Der Fall:


Die Klägerin hatte im April 2000 540 Anteile eines offenen Investmentfonds aufgrund der Anlage-Empfehlung der beklagten Bank erworben. Sie zahlte bei dem Erwerb einen Ausgabenaufschlag von 3,75 % und eine jährliche Verwaltungsgebühr in Höhe von 1,25%. Für den Abschluss dieses Geschäfts erhielt die beklagte Bank von der Fondsgesellschaft eine Provision von 3,4% sowie eine jährliche Verwaltungsprovision von 0,41%. Dies wurde der Klägerin vor Kauf der Anteile des Investmentfonds aber nicht mitgeteilt, sondern geheim gehalten. Diese Provisionen wurden bekanntlich in der Vergangenheit den Kunden regelmäßig verschwiegen.

Rechtliche Lösung:

Eine Bankkundin verlangte von der beklagten Bank Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung. Die verschwiegene Provision begründet nach Auffassung des Oberlandesgericht Stuttgart einen Schadensersatzanspruch zugunsten der Bankkundin:

1. Beratungsvertrag

Sucht ein Bankkunde die Bank auf, um sich beraten zu lassen oder berät der Bankmitarbeiter von selbst, kommt ein Beratungsvertrag zwischen Bank und Kunden zustande. Dieser Vertrag verpflichtet die Bank den Kunden umfassend und vollständig zu beraten. Dazu gehört auch eine Aufklärung über die genaue Höhe der Rückvergütungen aus dem Ausgabeaufschlag und die jährliche Verwaltungsprovision (so genannte Kick Back Zahlungen). Diese Pflicht zur Aufklärung hatte der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1990 schon für die Banken geschaffen. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass eine objektive Beratung nur möglich ist, wenn nicht Zahlungsflüsse Dritter geheim gehalten werden. Diese Auffassung macht sich auch das Oberlandesgericht zu eigen.

Verstößt die Bank gegen diese Pflichten aus dem Beratungsvertrag begründet das einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB. Merksatz: Man kann nicht einen Kunden objektiv beraten, falls man heimlich Geld von den Anbietern bekommt. Beispiel: Ein Schmerzpatient kommt zum Arzt; eine Tablettenfirma gibt dem Arzt pro Packung heimlich 10 €, das andere Unternehmen 20 € pro Packung. Der Arzt wird vermutlich immer das zweite Medikament verschreiben, oder? Kein Problem ist es, wenn der Umstand der Zahlungshöhe bekannt wäre,

2. Keine Verjährung, da Straftat

Der Kauf fand bereits 2000 statt. Aber der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht verjährt.

In der Regel gilt die dreijährige Verjährung des § 37a Wertpapierhandelsgesetz. Diese gilt jedoch nicht, wenn der Vertragspartner vorsätzlich gegen die Pflichten verstößt. Mit der Frage des Vorsatzes hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart besonders auseinandergesetzt.

Das Oberlandesgericht kam im Ergebnis dazu, dass die beklagte Bank die vereinnahmten Provisionen vorsätzlich verschwiegen hat. Nach Ansicht des Oberlandesgericht Stuttgart verfügt eine Bank bzw. deren Vorstand auch ohne Rechtsabteilung über vertiefte Kenntnisse über die sich aus dem Betreiben der Bankgeschäfte ergebenen Rechte und Pflichten. Es ist sozusagen allgemein klar, dass ein Kommissionär, der also ein Geschäft vermittelt, gemäß § 384 HGB bzw. § 667 BGB verpflichtet sei, das aus dem Geschäft erlangte herauszugeben. Diesbezüglich gibt es ausreichend deutliche Kommentarliteratur und auch höchstrichterliche Rechtsprechung.

Es sei für die Bank der Interessenkonflikt erkennbar gewesen, so dass darauf hinzuweisen gewesen wäre. Schließlich könne die Bank nicht Diener dreier Herren sein; zum einen den Kunden objektiv zu beraten, sich damit selber dienen und auch dem vermittelten Geschäftspartner.

Das Oberlandesgericht begründet dann seine Annahme des vorsätzlichen Handels wie folgt:

„Angesichts einer rechtlich vollkommen zweifelsfreien Herausgabepflicht liegt es nahe, das Verschweigen der Bank, die diese Provisionen für sich behalten will, als vorsätzlich zu bewerten. In Betracht kommt der Tatbestand der Untreue, § 266 StGB oder des Betruges, § 263 StGB. Wer vor gesetzlich normierten und allgemein anerkannten Regelungen und einer auf der Hand liegenden Problematik die Augen verschließt, handelt – auch ohne Rechtsberater – mindestens bedingt vorsätzlich.“

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat sich in der Entscheidung umfassend mit der Problematik des Verschweigens von Rückvergütungen und dem daraus resultierenden Schadensersatzanspruch auseinandergesetzt. Dabei trat in den Vordergrund, dass die Bank bereits aufgrund ihrer Fachwissens und der vertieften Kenntnisse im Finanzmarktgeschäft erkennen musste, dass die vereinnahmten Provisionen einen aufklärungsbedürftigen Interessenkonflikt auslösen. Dies durfte dem Kunden nicht verheimlicht werden.

Das Gericht schreibt deutlich und plakativ: „Die Bank durfte die Klägerin als ihre Kundin nicht bezüglich eines Finanzinstrumentes beraten und ihr dabei verheimlichen, dass ihr aus dem Kommissionsvertrag auch die Provision zustand.“

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat sich umfassend mit der Frage des vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns auseinandergesetzt und den Vorwurf vorsätzlichen Handelns umfassend begründet und kam zu den Schluss, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht verjährt ist.

Die Klägerin erhielt damit von der beklagten Bank ihr Kapital zurück, welches sie 2000 investiert hatte. Zusätzlich erhielt die Klägerin Zinsen.

Fazit:

Die Klägerin hat mit sehr deutlichen Worten gewonnen; das Gericht hat die ständige Beratungspraxis von Banken und Sparkassen in den Bereich von Straftaten angesiedelt, weil es jedermann klar sein musste, dass heimliche Provisionen von Anbietern eine kundenorientierte Beratung der Klägerin ausschließen. Man kann bekanntlich nicht Diener zweier Herren sein.

Weitere Informationen zu Banken und Versicherung unter Bankenskandal.de

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