Interview Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte mit Rechtsanwalt Klevenhagen, Immobilienrechtsprofi der Rechtsanwälte.
Dr. Thomas Schulte:
Herr Klevenhagen, das Problem kennt jeder Unternehmer: Der Auftraggeber möchte den Preis deckeln, aber gleichzeitig den Leistungsumfang soweit offen halten, dass der Auftragnehmer im Zweifel mehr zu leisten hat, als ursprünglich vereinbart war. Wie kommt man aus dieser Falle wieder heraus?
RA Klevenhagen:
Eine neues Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30.06.2011, Aktenzeichen VII ZR 13/10 eröffnet eine Möglichkeit.
Der Bundesgerichtshof hatte folgenden Fall zu entscheiden: In der funktionalen Leistungsbeschreibung einer Zulageposition für den Abbruch von Estrich ist die Estrichstärke durch den Auftraggeber mit „3cm, geschätzt“ angegeben worden. Als Vergütung war eine Pauschale vereinbart. Der abzubrechende Estrich wies aber eine Stärke von über 4cm auf, so dass der Auftragnehmer Vergütung des anfallenden Mehraufwandes verlangte.
… ein Mehraufwand von über 30%! ...
In der Tat, ja. Soviel Reserve kann kaum jemand in der Kalkulation berücksichtigen. Das heisst, hier werden nicht nur die kalkulierten Gewinne aufgezehrt, sondern auch noch Verlust eingefahren. Das darf nicht sein.
Das sieht auch der BGH so, steuert aber nicht unmittelbar auf einen Anspruch auf Mehrvergütung zu. Es müsse durch Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133 und 157 BGB ermittelt werden, ob eine detaillierte Angabe in einer funktionalen Leistungsbeschreibung die Pauschalierung der Vergütung begrenze. Dabei sind „der wirkliche Wille zu erforschen“ und die nieder geschriebenen Vereinbarungen „nach Treu und Glauben“ auszulegen“.
Dabei kann es zu dem Ergebnis kommen, dass die detaillierte Angabe lediglich die Geschäftsgrundlage des Vertrages beschreibe, wie der BGH sagt. Dies könne, wie im entschiedenen Fall geschehen, insbesondere dann angenommen werden, wenn der Auftragnehmer davon ausgehen durfte, der Auftraggeber habe durch die detaillierten Angaben der die Mengen beeinflussenden Faktoren eine gewisse Gewähr für eine verlässliche Kalkulationsgrundlage geben wollen.
Welche Folgen hat das für den Unternehmer?
Die Lösung des BGH über die Auslegungsregeln nach den §§ 133,157 BGB bietet die Möglichkeit, die pauschale Vergütungsvereinbarung sodann über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach §313 BGB zu kippen. In diesen Fällen leitet der BGH einen Anspruch auf Vergütung der Mehraufwendungen aus §2 Nr 7 Absatz 1 Satz 2 VOB/B her. Dort heisst es:
„Weicht jedoch die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich ab, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist (§313 BGB), so ist auf Verlangen ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu gewähren.“
Wirken sich die von den irreführenden Angaben des Auftraggebers im Vertrag abweichenden Mengen derart auf die Vergütung aus, dass das finanzielle Gesamtergebnis des Vertrages nicht nur den zu erwartenden Gewinn des Auftragnehmers aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt, wird das Festhalten an der Preisvereinbarung in der Regel nicht mehr zumutbar sein.
Dann kann also nichts mehr passieren und der Unternehmer ist aus dem Schneider?
Leider nicht. Der BGH erteilt zwar auch einer starren Risikogrenze von 20%, bis zu der der Unternehmer eben Pech hätte, wenn sich die Mengen ändern, eine Absage. Der Unternehmer wird aber künftig darlegen müssen, dass er bei Änderung mengenrelevanter Detailvorgaben mehr als seine kalkulierten Gewinne opfern müsste. Nicht jeder wird sich dazu in der Lage sehen.
Es besteht auch die Gefahr, dass die unteren Instanzen eben nicht über die Auslegung des Vertrages zum Ergebnis gelangen, dass detaillierte Mengenangaben zu einer Geschäftsgrundlage erhoben wurden und über deren Wegfall das Risiko des Unternehmers begrenzt werden kann.
Im Zweifel bleibt der Unternehmer auf dem Verlust und den Prozesskosten sitzen!
Was kann man tun?
Erst einmal ist das Urteil des BGH zu begrüßen. Denn ein vielfach auftauchendes Problem wird zu einer sachgerechten Lösung gebracht. Dennoch lauern Fallstricke.
Es kommt also darauf an, im Vorfeld zu prüfen, wie die funktionale Leistungsbeschreibung und die Vergütungsvereinbarung ausgestaltet sind und welche weiteren Abreden die Auslegungsmöglichkeiten der Gerichte zugunsten des Unternehmers beeinflussen.
Hier hilft der Spezialist.
Dr. Schulte, Rechtsanwalt
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