Mittwoch, 3. August 2011

Hässliche Plakate nerven die Wähler mit blöden Sprüchen und entstellenden Politiker-Portraits - Wahlkampf in Berlin

Eine juristische Glosse von Dr. Schulte, Rechtsanwalt

Berlin, August 2011
Die schöne Stadt Berlin, die Perle an der Spree, das Spreeathen, wird überflutet mit hässlichen Menschen und nichts sagenden Sprüchen: „Für Berlin!“ „Berlin verstehen“
Mit anderen Worten: Es ist Wahlkampf in der Hauptstadt.

Rechtlich gehört die Nutzung des Straßenraums für Wahlkampfzwecke zu einem wichtigen Recht der politischen Parteien gemäß den Vorgaben des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.
Das Verwaltungsgericht Dresden schreibt 2011 so schön:

„Wahlwerbung mit Plakaten im öffentlichen Straßenraum stellt eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar, die den Parteien im Vorfeld einer Wahl allerdings in angemessener Weise durch Erteilung entsprechender Sondernutzungserlaubnisse zu ermöglichen ist.“

Gutes Aussehen oder sogar politisch korrekte Aussagen sind juristisch nicht notwendig. Niemand muss ins Gefängnis, nur weil er die Wähler betrügt durch falsche Zähne, Toupets oder leere Wahlversprechen. Das ist ausdrücklich im § 108 a Strafgesetzbuch geregelt. Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren darf nur absitzen, wer durch Täuschung bewirkt, dass jemand bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irrt.
Rechtlich nicht zu fordern ist daher im Umkehrschluss ein Mindestmaß an Sinnhaftigkeit der Aussagen.

Aber natürlich gelten wichtige Regeln für den Straßenverkehr in Bezug auf Wahlplakate. Diese Vorgaben sind in Berlin allerdings unbekannt:

1. Regel: Aussehen und Sprüche egal, Hauptsache wetterfest
So verlangt das Amtsgericht Bonn seit einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 von den Parteien, dass die Plakate ordentlich aufgehängt werden und dass nach Wind und Wettereinflüssen kontrolliert werden muss, ob die Befestigung hält. Ansonsten erhält derjenige, der einen Schaden erleidet, weil ein Plakat herunterfällt, ausschlägt oder sich sonst wie selbstständig macht, Schadenersatz. Konkret ging es um eine Fahrertür, die von einem losen Wahlplakat im Orkan beschädigt wurde. Nach der Weigerung der Partei hatte der Fahrer erfolgreich geklagt.

2. Regel: Die richtige politische Partei weiträumig mit Klagen eindecken
Das Landgericht Lübeck hat vor einigen Jahren entschieden, wer haftet. Oh Gott, da gibt es Probleme: Landespartei oder Bundespartei, Politiker persönlich, Aufhänger, Wetterfrosch, Drahtlieferant oder Lampenhersteller oder Petrus als Wettergott. Konkret ging es in Lübeck bei einem Kommunalwahlkampf und einem fliegenden Plakat um die Frage, ob auch die Bundespartei haftet.

3. Regel: Parteivorsitzender muss aufpassen und Plakate ständig bewachen
Bahnbrechend ist auch die Entscheidung des Amtsgerichts Montabaur (in Berlin weiß niemand, wo das liegt) aus dem Jahre 1988:
Wer ein Plakat druckt, haftet immer. Genauer gesagt: Schadenersatzpflicht bei wildem Plakatieren trifft zur Not auch Drucker oder Hersteller der Plakate. Das Gericht urteilt weise:
„Wer Wahlplakate herstellt und in Verkehr bringt, muss wirksame Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen treffen, um wildes Plakatieren zu verhindern. Solange nicht festgestellt werden kann, wer für das wilde Plakatieren ursächlich war, ist der Hersteller und Verteiler der Plakate für den verursachten Schaden in Anspruch zu nehmen.“
Vermutlich hatte die Partei sich bei einem Unfall damit entschuldigt, dass das Plakat gar nicht von offizieller Parteiseite aufgehängt worden war und man sei nicht verantwortlich für den Fehler.
Der Entschuldigungsspruch der Bundeskanzlerin: „Was weiß ich, wer den Blödsinn aufgehängt hat, waren wohl junge Leute“ hilft also nicht.

4. Regel: Wahlplakate sind heilig
Die Wahlplakate dürfen nicht gestohlen oder übermalt werden; so weist Frau Ass. iur. Peggy Wüstenhagen in einem ernstgemeinten juristischen Aufsatz im Jahre 2006 darauf hin, dass das Schnurrbart-Malen auf einem Wahlplakat eine strafbare Sachbeschädigung sei. Das Über-Plakatieren ist im übrigen nicht in jedem Fall eine Sachbeschädigung, so jedenfalls das Oberlandesgericht Oldenburg im Jahr 1981. Hier kommt es auf den Klebstoff an.

Die Regeln lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hässliche Bilder und Nonsenssprüche sind rechtlich geschützt; Herunterfallen darf das Plakat auf keinen Fall. Gemalte Schnurrbärte sind verboten.


Dr. Schulte, Rechtsanwalt
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